Sigrid Horn
sog i bin weg
deck mi zua
i leg mi in dreg
waun ana frogd wo i bin
sog i bin weg
Das sind die titelgebenden ersten vier Zeilen unser allerneuesten Veröffentlichung. Aus dem Mund von Sigrid Horn haben sie eine ziemlich magische Wirkung, glauben Sie mir.
Die Sängerin und Liederschreiberin läßt den Menschen, der ihre Kunst zum ersten Mal kennenlernt, zunächst fassungslos zurück. Soviel weiß ich jetzt, denn ihr Album SOG I BIN WEG, das im Herbst 2018 auf Bader Molden Recordings erscheint, habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten nicht nur hundertfach gehört, sondern auch einigen Vertrauten vorgespielt. In den ersten Augenblicken des Zuhörens war da immer immer so etwas wie kurzes Zurückweichen zu spüren, Scheu, ja, Fassungslosigkeit. Aber wovor, worüber? Woran liegt es?
An der musikalischen Finesse und Schönheit der Lieder? An den (zutiefst hiesigen und vielleicht gerade wegen dieser Nähe schon wieder fremden) Geschichten, die in den Farben vom nebeligem Grau bis zum kaleidoskopischem Himmelblau wechseln? An Sigrid Horns Stimme, die bei aller Anmut nicht einen einzigen Moment lang ihre große innere Autorität aufgibt?
Oder an allem zusammen, an diesem so durchdachten, so tief empfundenen und schließlich so dicht verwebten künstlerischem Geflecht, das diese Platte ausmacht?
Nach ein paar Sekunden jedenfalls machen die Menschen, die Sigrid Horn hören, wieder eine Bewegung nach vorn. Und beginnen allmählich zu strahlen.
i bin ende zwanzg, singt Sigrid Horn in einem ihrer an Einblicken (und zugleich falschen Spuren) reichsten Lieder, zwanzg. Die Sängerin kommt aus dem Mostviertel. Das ist eine auf den ersten Blick liebliche niederösterreichiche Hügel- und Voralpenlandschaft, wo aber im Schatten des Geländes tiefe Schächte und Eingänge unter die Erde verborgen sein müssen. Was dort drinnen liegt, breitet Sigrid Horn mit dem Gestus eines versunken spielenden Kindes vor uns aus. Innerfamiliäre gothic novels in Liedform, Traumgesichter, die einem vielleicht nach zwei Glaseln Most zuviel vor die Augen treten mögen, Slapstick-Liebeserklärungen. Und manchmal auch Zorniges, vor die Füße Gespieenes.
Gemeinsam ergibt das eine Platte, die das Größte schafft, wozu Songwriteralben in der Lage sind: Bei Null – im Höchstpersönlichen – beginnend die Welt abzubilden. Danke, liebe Sigi. Charlie Bader und ich sind stolz und geehrt, daß du unserem Label diese Lieder überlassen hast. Auf dass viele Menschen strahlen wie wir.
Ernst Molden, September 2018